Es gibt Untersuchungen und Analysen zum Thema Konflikte in den unterschiedlichsten Bereichen, z. B. in Gruppen, Institutionen, Gemeinschaften oder Ländern. In diesem Beitrag befassen wir uns jedoch mit Konflikten zwischen zwei Personen oder zwischen einer Person und einer Gruppe.
Wie bewältigt man Konflikte?
Zu diesem Thema existiert eine bekannte Methodik nach Thomas und Kilmann zur Beurteilung des individuellen Verhaltens in Konfliktsituationen. Diese beschreibt das Verhalten von Menschen anhand zweier grundlegender Dimensionen: dem Eigeninteresse und dem Interesse an anderen. Aus diesen beiden Grunddimensionen des Verhaltens lassen sich fünf spezifische Wege der Konfliktbewältigung ableiten. Darauf basierend definiert Kilmann den zwischenmenschlichen Konflikt als einen „Prozess, der ausgelöst wird, wenn eine Person den Eindruck hat, dass eine andere ihre Interessen beeinträchtigt hat oder dabei ist, dies zu tun“.
Schritte zur Konfliktlösung
In zwischenmenschlichen Beziehungen kommt es sehr häufig zu Konflikten, selbst mit Menschen, mit denen wir uns bestens verstehen, mit denen wir gemeinsame Interessen teilen oder die wir besonders lieben. Das ist völlig normal, denn der Mensch ist ein Gesellschaftswesen, das für sein Überleben und seine Selbstverwirklichung die Zugehörigkeit zu einem aus anderen Menschen bestehenden Kollektiv braucht.
Durch diese Lebensweise muss jeder Mensch seine individuellen Interessen mit den aus dem Zusammenleben resultierenden Kollektivinteressen in Einklang bringen. Manchmal stimmen diese Interessen überein, in anderen Fällen sind individuelle und kollektive Bedürfnisse jedoch kaum miteinander vereinbar, sodass es leicht zu Konflikten kommen kann.
Konflikte sind also eine alltägliche Realität im Leben der Menschen – zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft. Dabei prallen die Bedürfnisse und Werte einzelner Individuen ständig aufeinander. Während manche Konflikte klein und relativ leicht zu bewältigen sind, sind andere größer und erfordern zur erfolgreichen Lösung bestimmte Strategien, da ansonsten ständige Spannungen und zwischenmenschliche Feindseligkeiten daraus entstehen.
Bei der Lösung von Konflikten sollte man sich drei Grundgedanken vor Augen halten:
- Konflikte wird es immer geben. Sie sind einfach Teil des menschlichen Daseins.
- Konflikte lassen sich zwar nicht ausmerzen, aber wir können wirksame Strategien zum Umgang mit ihnen finden.
- Konflikte zwischen Menschen sind die Regel, nicht die Ausnahme.
Da Konflikte nun einmal unvermeidlich sind, ist es am besten, ihre Existenz als normal zu akzeptieren und den konstruktiven Umgang mit ihnen zu lernen. Gewöhnt man sich erst an einen solchen Umgang mit Konflikten, ergeben sich daraus viele Vorteile:
- Konflikte schulen und fordern unsere persönlichen und sozialen Fähigkeiten.
- Betrachtet man Konflikte als etwas Selbstverständliches, erhöhen sich die Chancen auf Verwirklichung der eigenen Wünsche und Ziele.
- Auf diese Weise verbessern sich unsere zwischenmenschlichen Beziehungen signifikant, es kommt zu mehr effektiver Kommunikation, gegenseitiger Unterstützung, Vertrauen, Wertschätzung und Kooperation.
- Wir erleben positive subjektive Empfindungen wie Freude, Selbstwertgefühl, Sicherheit, Zuversicht, Geborgenheit, Entspannung, Vitalität oder Wohlbefinden.
Umgekehrt sind nicht ausgetragene oder schlecht bewältigte Konflikte oft Auslöser für negative Gefühle wie Angstzustände, Ohnmacht, Verwirrung, Einsamkeit, Ärger oder Groll.
Hinzu kommen kontraproduktive Verhaltensweisen wie Aggression, Gehemmtheit, Isolation oder Prokrastination. Eine unzureichende Konfliktbewältigung kann auch zum Verlust oder zur Verschlechterung wichtiger Beziehungen sowie zu verminderten Chancen und stressbedingten Gesundheitsproblemen führen.
Haltung in Konfliktsituationen
Wie auch andere Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen lassen sich Konflikte zurückhaltend, aggressiv oder selbstbehauptend handhaben. Bevor wir jedoch über Konfliktverhalten sprechen, empfiehlt es sich, zunächst einmal die Haltung in einer Konfliktsituation zu beleuchten.
Unsere Haltung ist eng verknüpft mit den Absichten, die wir in einer Konfliktsituation verfolgen, und noch enger mit unserer Sichtweise auf die Welt, unserer Wesensart und unseren Gefühlen.
Jeden Morgen setzen wir alle unsere ganz eigene «Brille mit unserer Sichtweise auf die Welt“ auf, betrachten also alles, was um uns herum geschieht, vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen, unserer Emotionen, unserer Erkenntnisse etc. Diese Brille vermittelt uns, welche Haltungen und Absichten wir in einer Konfliktsituation umsetzen sollten.
Hier sei unbedingt betont, dass wir abhängig von unserer Rolle in der Beziehung, in der der Konflikt auftritt, ganz unterschiedliche Haltungen gegenüber Konflikten an den Tag legen. In einem Konflikt mit unserer Mutter verhalten wir uns mit Sicherheit anders als in einem Konflikt mit unserem Partner, einer Kollegin oder einem Fremden.
Diese Einstellungen entsprechen dem zweidimensionalen Konfliktmodell nach Neil Katz, einem weiteren Konfliktforscher, der ein dem Thomas-Kilmann-Modell ähnliches zweidimensionales Konfliktmodell entwarf. Katz teilt die verschiedenen möglichen Einstellungen zu einem Konflikt in zwei wesentliche Kategorien ein: Bindung an die Beziehung und Bindung an die Interessen.
Demnach sollten wir uns in einer Konfliktsituation als Erstes die folgenden drei Fragen stellen:
- Welches ist in diesem Konflikt meine Rolle gegenüber der anderen Partei?
- In welcher Beziehung stehe ich zu der anderen Partei?
- Welche Interessen verfolge ich?
Die Beantwortung dieser drei Fragen sollte Aufschluss über die Haltung bezüglich des Konflikts und die zu verfolgende Strategie geben.
Aggressive Haltung im Konfliktfall
Eine Person mit dieser Haltung empfindet jeden Konflikt als ein Gefecht, das es zu gewinnen gilt.
Daher betrachtet sie die anderen Beteiligten als Feinde, die besiegt werden müssen.
Personen mit einer aggressiven Grundhaltung versuchen um jeden Preis und ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer, ihre Ziele zu erreichen (Ich gewinne – Du verlierst). Nachgeben bedeutet für diese Menschen zu verlieren, sich herabzulassen, schwach zu sein, sich selbst zu verraten und das eigene Selbstwertgefühl zu schmälern.
Konflikte werden als lästig empfunden, weil andere nicht einsehen, dass ihr Standpunkt der richtige ist, und sich ihren Wünschen oder Forderungen nicht beugen. Ein solcher Typus versucht daher, seinen Willen durchzusetzen, ohne Rücksicht darauf, dass er dafür die Rechte oder Gefühle anderer mit Füßen treten muss.
Dieser Ansatz geht in der Regel nach hinten los, vor allem auf lange Sicht, denn auch wenn man damit manchmal kurzfristig sein Ziel erreicht, fühlen sich die anderen Beteiligten benachteiligt und beginnen, sich zurückzuziehen, oder werden feindselig.
Passive oder gehemmte Haltung
Das Gegenteil der aggressiven Haltung ist die Einstellung «Ich verliere – Du gewinnst“.
Menschen mit dieser Haltung wagen es nicht, sich Konflikten zu stellen, weil sie die möglichen negativen Folgen fürchten oder weil sie glauben, dass sich die Dinge nicht zum Besseren wenden können.
Menschen mit passiver oder zurückhaltender Einstellung neigen dazu, Konflikte zu ignorieren – in der falschen Hoffnung, sie würden von allein verschwinden. Oder sie geben zwecks Konfliktvermeidung zu leicht nach, ohne ihre eigenen Interessen angemessen zu vertreten.
Eine passive oder zurückhaltende Einstellung beruht häufig auf irrationalen Überzeugungen wie „Ich brauche unbedingt die Anerkennung der anderen“, «Das Erreichen meiner Ziele ist nicht so wichtig“, „Ich kann angespannte Situationen nicht ertragen“, «Wenn wir darüber reden, wird die Situation noch schlimmer“ oder «Es ist immer besser nachzugeben, um größere Probleme zu vermeiden“.
Unsere Überzeugungen zum Thema Konflikte, d. h. wie wir sie wahrnehmen und beurteilen, bestimmen unsere Haltung ihnen gegenüber.
Empfinden wir sie als etwas sehr Negatives, das um jeden Preis vermieden werden muss, reagieren wir gehemmt, versuchen sie zu ignorieren oder geben zu leicht nach, ohne unsere eigenen Interessen ausreichend zu vertreten.
Die selbstbehauptende Haltung
Menschen mit dieser Haltung betrachten den Konflikt mit einer flexiblen Einstellung mit der Möglichkeit, zwischen Nachgeben und Widerstand zu entscheiden. Dabei vertreten sie jedoch stets ihre eigenen Rechte und wahren die der anderen Konfliktpartei.
Konflikte mit geringem Aufwand lösen
Ausgehend von den obigen Überlegungen zum Thema Haltung in Konfliktsituationen betrachten wir nachfolgend einige für den Umgang mit zwischenmenschlichen Konflikten hilfreiche Strategien:
- Den Konflikt möglichst früh erkennen und entsprechend darauf reagieren.
Wichtig ist eine möglichst frühzeitige Erkennung von Konflikten, denn oft verfestigen sie sich im Laufe der Zeit und spitzen sich dann weiter zu. Mögliche Anzeichen, an denen man Konflikte erkennen kann, sind Anspannung, Wut oder Unbehagen. Oder das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, die Beobachtung, dass die andere Partei sich feindselig verhält, sich distanziert oder unser Verhalten falsch interpretiert etc. - Möglichst gut im Bilde sein.
Die Grundlage für eine erfolgreiche Bewältigung der Situation ist, möglichst viel über den Konflikt zu wissen. Als Erstes sollte man sich vielleicht die Frage stellen:
Warum stellt diese Situation oder Person einen Konflikt für mich dar?
Eine ehrliche Antwort auf diese Frage ermöglicht meist eine genaue Definition des Konflikts und Klarheit darüber, was uns wichtig ist. Auch unsere Ziele, Wünsche und Bedürfnisse sowie die Auswirkungen des Konflikts auf unser Leben gilt es zu berücksichtigen. Je mehr wir über den Konflikt und dessen Auswirkungen auf uns wissen, desto größer sind die Aussichten auf eine zufriedenstellende Lösung. - Bereitschaft zur Kommunikation.
Kommunikationsbereitschaft bedeutet, dass man sich die Zeit nimmt, einfühlsam zu sein und sich in die Lage der anderen Person zu versetzen.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan, aber mit einigen Tricks gelingt es:- Nur dann unterbrechen, wenn wir etwas nicht verstehen und möchten, dass das Gesagte wiederholt wird.
- Nicht unterbrechen, um eigene Schlüsse zu ziehen.
- Wer andere gern unterbricht, sollte Folgendes versuchen: 3 Sekunden lang einatmen, dann 3 Sekunden lang die Luft anhalten und schließlich 6 Sekunden lang langsam ausatmen.
- Dann bis 10 zählen, bevor man zu sprechen beginnt.
- Der anderen Person helfen, weiterzusprechen.
- Nicht nur auf das achten, was das Gegenüber sagt, sondern auch darauf, wie es gesagt wird (Emotionen, Gesten, Körperhaltung etc.).
Damit rechnen, dass unsere Botschaft verzerrt ankommt. Möglicherweise hört die andere Partei etwas völlig anderes, daher sollte man sich die Zeit nehmen, die Lücke zwischen dem von uns Gesagten und dem, was die andere Partei verstanden hat, zu überbrücken. - Personen von Problemen trennen.
Wir sollten nie vergessen, dass die andere Konfliktpartei ein Mensch (oder mehrere) ist.
Wir Menschen haben nun mal Emotionen, Werte, verschiedene Hintergründe und unterschiedliche Standpunkte. Und jeder von uns will sich gut fühlen. Versucht man nun, einen Konflikt zu lösen, indem man die Person und nicht das Problem angreift, gewinnt man vielleicht das Gefecht, aber man verliert den Krieg. Lassen wir neben dem Sieg die andere Partei auch noch schlecht dastehen, riskieren wir jede Art von Zusammenarbeit und verlieren sie vielleicht als Verbündete.
- Fokus auf Interessen, nicht auf Standpunkte.
Je mehr eine Person ihren Standpunkt verdeutlicht und verteidigt, desto mehr setzt sie sich dafür ein; ihr Ego identifiziert sich schließlich mit ihrem Standpunkt und sie steht vor einem neuen Problem: Sie muss den Schein wahren. All dies verringert die Wahrscheinlichkeit, den Konflikt möglichst nutzenorientiert und ohne Verluste zu lösen. Anstatt von vornherein einen festen Standpunkt zu vertreten, sollte man vielmehr die eigenen Interessen darlegen und seinem Gegenüber und sich selbst die Möglichkeit geben, eine von vielen Ausgangspositionen zu wählen. - Verschiedene Strategien zur Konfliktbewältigung vorsehen.
Ein Konflikt lässt sich nicht immer mit einer einzigen Strategie bewältigen, daher sollte man – um nicht in einer Sackgasse zu landen – stets mehrere Alternativen in Erwägung ziehen.
Lösungen zugunsten beider Seiten suchen. Bei der Suche nach Lösungen empfiehlt es sich, möglichst viele Alternativen in Betracht zu ziehen, auch wenn manche auf den ersten Blick abwegig erscheinen. Mitunter erfordert eine optimale Konfliktbewältigung Kreativität, d. h. über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Vorgehensweisen in Betracht zu ziehen.
Man sollte auch nicht vergessen, dass manche dieser Lösungen von Einzelpersonen nie in Erwägung gezogen werden, sich aber aus einer Diskussion, der Klärung von Standpunkten, Darlegung der jeweiligen Interessen etc. ergeben können. - Objektive Fairnesskriterien zugrunde legen.
Im Leben können wir nicht immer unseren Willen durchsetzen. Keiner von uns kann jedes Gefecht gewinnen. Eine Niederlage ist jedoch leichter zu akzeptieren, wenn wir das Ergebnis als fair empfinden.
Außerdem lässt sich ein Gefecht leichter gütlich gewinnen, wenn unser Gegenüber erkennt, dass das von uns gewünschte Ergebnis bestimmten Kriterien der Fairness entspricht. - Auf eine respektvolle, einfühlsame Haltung achten.
Dazu gehört, Kritik oder Feindseligkeit zu unterlassen, einzuräumen, dass die andere Person die Dinge vielleicht anders sieht, mögliche Verantwortung oder Fehler einzusehen etc. - Ergebnisse auswerten.
Ist der Konflikt gelöst, sollten wir unsere Einstellungen, Verhaltensweisen, Gefühle etc. analysieren. Dadurch können wir lernen, bei einer anderen Gelegenheit kritisch mit uns selbst umzugehen, die andere Konfliktpartei zu verstehen und als Menschen zu wachsen.